ADSL und Linux auf alten Geräten: Wie man ausgediente Hardware sinnvoll nutzt

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Im Regal verstaubt ein ADSL-Modem, daneben ruht ein Thin Client im alten Keller – ein fast übersehenes Paar, das mehr kann als nur unbemerkt verrosten. Man spürt einen fast nostalgischen Reiz, diese ausgedienten Geräte mit neuem Leben zu füllen. ADSL-Technik lebt weiter; sie lässt sich unter Linux wiederbeleben, etwa als stabiler Router, als Messstation im Netzwerk oder als geduldiger Reserve-Zugang. Besonders in Mitteleuropa bleibt PPPoE üblich, und Annex-Varianten wie A oder B (in Deutschland auch J) prägen die Technik-Basis, ohne nostalgisch zu sein.
Auf diesem Pfad wird aus vergilbter Hardware etwas handfest Nützliches und Sicheres – wenn man sie nur wieder erweckt. Unter Linux öffnen sich mehrere Wege: USB-Modems mit passenden Treibern, Ethernet-Bridge plus pppd oder rp-pppoe, dazu OpenWrt auf alten Lantiq-Routern. Und Achtung: Manche Provider verlangen VLAN-Tagging beim Setup, was gern vergessen wird, aber essentiell ist, um alles sauber zu verbinden. Es entsteht ein kleiner Ausblick auf die technische Wiedergeburt, und fast will man gleich in den Keller steigen, um die alten Geräte abzustauben.
Technische Fundamente: ADSL unter Linux heute
Die Protokoll-Landschaft verrät, wie vielfältig ADSL-Technik unter Linux bleibt: PPPoE und PPPoA stehen nebeneinander, dazu kommt RFC 2684-Bridging (oft RFC 1483 bzw. RFC 2684), das Ethernet über ATM-Leitungen abbildet. Linux verwendet dafür Werkzeuge wie pppd
, rp-pppoe
und das Paket linux-atm
samt br2684ctl
, um Interfaces wie nas0
zu erzeugen und PVC-Verbindungen zu handhaben. Ich erinnere mich, wie ich mal spät in der Nacht mit br2684ctl experimentiert habe – und das nas0-Interface endlich erschien, obwohl ich so gar keine Ahnung mehr hatte, ob vpi/vci stimmten.
Ergänzend dazu sorgt die ADSL-Norm mit Annex-Profilen für regionale Feinheiten: Annex B in Deutschland und Annex J mit schnellerem Upstream trat später hinzu. PPPoE bleibt weitverbreitet, oft mit VLAN-Tag (z. B. VLAN 7 bei Telekom), und deswegen beeinflussen Protokoll und Annex-Variante direkt die Hardware-Auswahl: manche Router oder Modems unterstützen VLAN-Tagging nicht oder müssen parallel auf Annex J umgestellt werden. ADSL endet bei 24 Mbit/s, während VDSL mit deutlich höheren Raten beginnt, womit ADSL-Hardware auf alten Geräten zwar genügt, aber keine Giga-Schnelle bietet – klar, aber praktisch nach wie vor nutzbar.
Bestandsaufnahme: Welche alte Hardware taugt?
Alte Rechner wie x86-Mini-PCs oder Thin Clients mit mehreren Netzwerk-Ports bieten moderaten Stromverbrauch, zugleich aber ausreichend Leistung für PPPoE-Routing und gelegentliche Dienste. Dann gibt es ausgemusterte WLAN-Router mit DSL-Modem auf Lantiq- oder Infineon-Basis, die sich oft mit OpenWrt weiterbetreiben lassen. Schließlich kann ein separates Ethernet-ADSL-Modem die Brücke zum Linux-Router bilden – falls man keines der anderen Geräte verwenden will oder kann. Wichtig sind bei Routern RAM- und Flash-Größen, bei x86-Geräten NIC-Anzahl und Energiebedarf – je nach Setup reicht ein Gigabit-NIC, aber manchmal nervt der Stromverbrauch. Und Achtung: OpenWrt sträubt sich gegen Geräte mit nur 8 MB Flash oder 64 MB RAM, da das Zusammenspiel mit Paketen nur eingeschränkt gelingt
USB-ADSL-Modems lassen sich ebenfalls wiederverwenden, sofern man passende Treiber findet – etwa usbatm
, speedtch
oder ueagle-atm
– und das klappt in vielen Linux-Distributionen über Kernel-Optionen oder Zusatzpakete. Die Firmware (SpeedTouch-Microcode etc.) muss mit, und man springt ins Kconfig, um CONFIG_USB_ATM zu aktivieren; oft verwende ich als erstes modprobe usbatm
und sehe dann, ob das Gerät auftaucht – eine kleine Bastelstunde, aber ergiebig. Diese Treiber fanden sich im Kernel seit Version 2.6 aufwärts, und Distributionen wie Debian oder Ubuntu liefern sie meist mit.
Praktische Wege zur ADSL-Integration unter Linux
Variante A: USB-ADSL-Modem direkt am Linux-Router
speedtch
und die passende Firmware auf – damit steht das USB-Modem bereit. Dann richtet man mit br2684ctl
eine ATM-Bridge auf, typischerweise erzeugt diese ein Interface wie nas0
, das man über pppd
per PPPoE oder PPPoA anspricht. Man verwendet Pakete wie linux-atm
und ppp
, wobei br2684ctl beispielsweise mit „-c“ für das Interface und „-a VPI.VCI“ zum PVC-Setup angetrieben wird. Einige typische PVC-Parameter (also VPI/VCI) beschreibt dann der praktische Teil; gerade auf alten Geräten zeigt sich das Setup überraschend robust, wenn die Reihenfolge stimmt.
Diese Methode bleibt sehr günstig, weil keine neuen Router nötig sind – aber man sollte Firmware-Updates und den Zustand des Treibers im Blick behalten. In manchen Fällen brach mein Modem bei Kernel-Updates, und dann entdeckte ich das erste Mal die Bedeutung von dmesg
und pppd
-Logs rechtzeitig. Für solche Fälle helfen historische Howtos, etwa zu SpeedTouch-USB oder das UbuDSL-Projekt, oft weiter. So bleibt die Lösung schlank, wenn man sich ein wenig ins Fehlersuchen hineinwagt.
Variante B: Ethernet-ADSL-Modem im Bridge-Modus + Linux-Router
pppd
oder rp-pppoe
, je nach Geschmack und Setup. Manche Provider, wie die Deutsche Telekom, verlangen sogar VLAN-Tagging – typischerweise VLAN 7 –, und deswegen muss man das Interface entsprechend konfigurieren (z. B. eth0.7 oder nas0.7). Diese Trennung zwischen Modem und Routing bringt die freie Kontrolle über Software-Updates, denn der Linux-Router lässt sich unabhängig und komfortabler pflegen.
IPv6 spielt zunehmend mit: Prefix Delegation erlaubt dem Router die Verteilung eines Subnetzes an das Heimnetz, DS-Lite (Dual-Stack Lite) ermöglicht IPv4-Zugriff über IPv6-Tunnel und Provider-CGN. Dabei muss man MTU-Werte im Auge behalten, etwa auf 1492 setzen oder MSS-Clamping aktivieren, damit PPPoE-Sessions flüssig bleiben. Auf alter CPU-Hardware hängt die Performance oft von NIC-Offloading ab; OpenWrt-Setups mit aktiviertem Flow-Offloading oder ähnlichem zeigen manchmal überraschende Leistungsgewinne. Mir ist spontan eingefallen, wie ich bei einem alten Router mit CPU-Last kämpfte und Small tweaks plötzlich zu spürbar flüssiger Verbindung führten – ein kleiner Linux-Motivationsschub.
Variante C: OpenWrt auf alten ADSL-Routern (Lantiq)
Wer OpenWrt aufsetzt, kann den Router in zwei Modi betreiben: im Bridge-Modus als reines DSL-Modem vor einem Linux-Router oder als All-in-one-Router, der alles übernimmt. Spezifische Modelle verlangen besondere Firmware-Versionen oder bestimmte OpenWrt-Releases – etwa wurde bei einer 7360er nach Firmware-Update unter Version 22.03.7 der DSL-Teil funktionslos. Entwickler-Foren, adsl4linux.de und ToH-Seiten liefern oft passende Images oder Hinweise auf Bugs; wer tiefer eintaucht, trifft schnell auf Lösungen oder zumindest Workarounds.
Provider-Besonderheiten und Deutschland-Spezifika
In Deutschland läuft die Einwahl über ISPs meist über PPPoE, und häufig – vor allem bei Anschlüssen über die Deutsche Telekom (BNG/VDSL, teils auch ADSL) – setzt man VLAN-Tagging ein, standardmäßig VLAN 7. Man richtet das WAN-Interface als eth0.7 oder nas0.7 ein, um überhaupt online zu kommen – ohne das bleibt der Router offline. Mir fiel das auf, als mein Router plötzlich nicht mehr ins Netz kam, bis mich ein Forum auf das fehlende VLAN-Tag brachte. Daher muss man beim Setup die Switch- oder NIC-Konfiguration gleich mitbedenken.
Ergänzend betrachtet beeinflusst die Wahl des Annex-Profils die Hardware-Kompatibilität deutlich: Deutschland nutzt primär Annex B oder Annex J, während Annex A hier nur selten vorkommt. Das trifft man meist in anderen Ländern; entsprechende Geräte – etwa ältere Zyxel-Modelle – können deshalb inkompatibel sein, wenn sie nur Annex A unterstützen. Beispiel: Zyxel VMG4005-B60A mit Annex B eignet sich besser für deutsche ADSL-/VDSL-Netze. Annex-M oder -A findet man hier kaum, auch wenn sie anderswo verbreiteter sind.
Stabilität, Sicherheit, Dienste
Ein möglichst schlankes System lässt sich aufsetzen, indem man nftables oder iptables für Firewall-Regeln nutzt, chrony
für verlässliche Zeit-Synchronisation und logrotate
, damit Logs nicht die schmale Flash-Partition sprengen. Zusätzlich hilft ein PPP-Watchdog oder monit, um Verbindungsverluste automatisch zu erkennen und zu beheben. Gerade auf leistungsschwacher Hardware sollte man Zeit- und Speicher-Budgets festlegen, weil Dienste sonst schnell aus dem Ruder laufen. In Lantiq-Setups zeigen sich manchmal Stabilitätsprobleme unter Last – ein Anstieg der CPU-Last oder abrupte Reboots nach Logs-Explosion etwa, wenn man zu viel installiert.
Wertvolle Dienste verschaffen echten Mehrwert: ein lokaler DNS-Resolver oder Caching senkt Antwortzeiten, Traffic-Shaping mittels SQM (Smart Queue Management) vermindert Bufferbloat auf ADSL-Leitungen und bringt spürbare Verbesserungen. Dazu lässt sich Telemetrie wie Netdata oder ein Prometheus-Exporter einbinden, um Systemgesundheit sichtbar zu machen. Gleichzeitig gilt es, Risikoquellen wie TR-069-Dienste oder veraltete Web-GUIs sicher zu deaktivieren – etwa indem man im Bridge-Modus verbleibt oder Firewalleinschränkungen hart zieht, um Angriffsflächen zu verkleinern.
Praxisnahe Mikro-Guides (zwei Mini-Rezepte)
Rezept 1 führt ein USB-ADSL-Modem wie SpeedTouch, ueagle-atm oder cxacru am Debian-/Ubuntu-Router ein: Zuerst installiert man die Pakete linux-atm
und ppp
, und spielt nötigenfalls Firmware in /lib/firmware
ein – beim cxacru-Treiber geschieht das oft manuell, je nach Lizenzlage. Danach erstellt man mit br2684ctl
eine ATM-Bridge (z. B. nas0 via VPI/VCI), was sich sauber in einem Systemd-Unit-File automatisieren lässt. Anschließend konfiguriert man pppd
-Peers für die Einwahl, und startet den Dienst je nach Wunsch über systemctl
oder pon provider
. Die Man-Pages und Kernel-Dokumentation der Tools liefern alle nötigen Optionen und Schnittstellen — ein Setup, das manchmal fast magisch funktioniert, wenn man es richtig in Gang bringt.
Rezept 2 setzt OpenWrt auf einem Lantiq-Router als reines DSL-Modem ein: Man prüft erst das passende OpenWrt-Image für das Modell, lädt dann die DSL-Firmware (Vectoring-Blobs) herunter und installiert sie per USB-Stick oder TFTP. Danach stellt man das Gerät in den Bridge-Modus: Häufig reicht ein Kontrollhäckchen in LuCI oder ein Eintrag in der Interfaces-Config („protokoll: bridge“). Fällt ein VLAN-Tag an, muss man eth0.X einrichten – typisch etwa VLAN 7. Schließlich terminiert ein Linux-Router die PPPoE-Session. Bei Geräten mit nur 8 MB Flash oder 64 MB RAM muss man sehr sparsames Image-Design wählen, sonst rasten die Router bei zu viel Zusatzsoftware gern aus.
Fazit: ADSL für Linux
Mit Linux-Bordmitteln wie pppd
und linux-atm
bleibt ADSL erstaunlich kontrollierbar. Auch wenn Glasfaser (FTTH) längst dominiert, behalten ADSL-Kisten ihren Wert – als Fallback, im Labor oder als technisches Lernprojekt. Sie zeigen, dass Alt-Hardware kein Auslaufmodell sein muss; manchmal verbindet sie Pragmatismus mit technischer Tiefe auf charmante Weise.